30. März 2007

Fortsetzungsgeschichte

Grüße euch!

Damit euch in diesem Blog nicht ganz langweilig wird, während ich an Jimbo werkle, habe ich mich entschieden, ab und an mal Teile einer Geschichte zu veröffentlichen, an der ich hin und wieder schreibe, wenn ich Lust dazu bekomme. Sie ist weder schön noch angenehm noch außergewöhnlich toll geschrieben, aber vielleicht unterhält sie euch ja ein wenig. Sie wird bei Gelegenheit hier fortgesetzt.

Gruß,
Euer SteffL
CEO of Unique Arts Entertainment


THOUSAND PIECES


"Wo Zorn und Rache heiraten, wird die Grausamkeit geboren."
- Russisches Sprichwort


PROLOG

Noch immer sehe ich verschwommen die beleuchteten Reklametafeln der Shuttlestation Burnside vor mir. Wie sie mich anlächeln, braungebrannt, gesund und wunderschön, die Krankheiten und Kriege am Ende der Treppe völlig ignorierend. Als wüsste niemand von ihnen um das Leid, die Armut und den Tod, die Tag um Tag auf der ganzen Welt um sich griffen. Oder um die Pest, die trotz ihrer allmählichen Eindämmung milliarden Leben ausgelöscht hatte. Eigentlich war es keine Pest im eigentlichen Sinn, aber nach den zahllosen Pandemien, die in den letzten Jahrzehnten die Welt heimsuchten, bin ich nicht der Einzige, der den Überblick verloren hat. Zumindest in den Medien ist, nach mittlerweile fast 700 Jahren, abermals vom Schwarzen Tod die Rede. Das merkte man sich – aber auch das würde uns nicht retten.

Das Ende der Treppe… Es war für mich außer Sicht, als ich auf mein Shuttle wartete. Darauf, dass ein Licht am Ende des dunklen Tunnels erschien und seine Ankunft ankündigte. Ich erinnere mich, wie ich in Anbetracht der Metapher grinsen musste, als mir in diesem Zusammenhang die angebliche Rückkehr Jesu einfiel, von der seit einer Woche ununterbrochen in den Medien berichtet wird. „Das Licht am Ende des Tunnels“ sagen sie, nur weil ein Bärtiger aus dem Nichts auftaucht und sich für den Sohn Gottes hält. Bisher ist weder der Himmel blauer geworden noch das Gras grüner, ich sehe auch keine Engel durch die stinkenden Straßen flattern und auch mein Durchfall hat sich nicht gebessert. Trost spendet mit höchstens der Gedanke, dass ich damit nicht alleine dastehe. Vielleicht brüte ich mittlerweile auch schon etwas aus und bekomme gar nicht mehr mit, wie der Heiland die Welt rettet. Ein wahrer Jammer wäre das. Und abermals kreuzte eine Metapher meinen Weg: Mein Shuttle hatte Verspätung. Zwar nur 4 Minuten, aber meinen Termin würde ich nun so oder so verpassen, selbst wenn das Shuttle noch käme. Es war zu spät. Vielleicht sollte ich darüber mal mit Jesus reden, seine Meinung würde mich interessieren.

Bis auf einen alten Penner – ich meine Obdachlosen – war die Bahnstation verlassen. Vom Sitzen war er auf die Seite gerutscht und schlief nun mit dem Gesicht auf dem Boden. Oder schlief er nachher gar nicht? Es war keine Seltenheit, dass Tote auf der Straße lagen und erst abgeholt wurden, wenn sie schon zu stinken anfingen. An diesem da war aber irgendwas anders, auf die Entfernung konnte ich aber nicht klar ausmachen, was es genau war. Als ich einige Meter näher ging, sah ich den Grund in Form eines klaffenden Loches in seinem Bauch. Der arme Knabe war einer Ausschlachtung zum Opfer gefallen, eine heutzutage nicht einmal unübliche Art zu sterben. Die Kerle mussten es aber sehr eilig gehabt haben, wenn sie ihn praktisch in aller Öffentlichkeit ausnehmen mussten. Wer weiß, was eine Pennerleber auf dem Schwarzmarkt bringt? 50 Dollar? Vielleicht sogar weniger? Ich weiß nicht, ob ich mein Kind mit der Leber eines alten Obdachlosen herumlaufen lassen würde, der Zeit seines Lebens literweise billigen Fusel durch seine Eingeweide jagte und was weiß ich nicht noch alles. Aber auch Organhändler haben Familien zu ernähren – und ob dies durch das Ausschlachten unschuldiger Menschen finanziert wird kann seinen Kindern ja egal sein, solange sie etwas Warmes im Bauch haben. Vielleicht tröstet mich dieser Gedanke ja irgendwann.

Als ich mich abwenden wollte, passierten viele Dinge auf einmal. Ich wurde gepackt und hatte innerhalb weniger Sekunden einen Sack über dem Kopf, während ich durch einen stechenden Schmerz im Rücken eine Gänsehaut bekam und meine Beine nachgaben. Später sollte ich herausfinden, dass es sich so anfühlt, wenn man einen Taser in den Rücken bekommt. Das war mir in diesem Moment allerdings ziemlich egal. Das nächste, an was ich mich erinnerte, war ein schwaches Licht, das durch den Stoff meiner Maske drang. Die Shuttlestation war sehr dunkel, keines der Lichter dort glich dem, welches mich da gerade anstrahlte. Ich merkte nicht, was mit mir geschah. Die einzigen Dinge, die ich wahrnahm, waren das bereits erwähnte Licht, einige Schatten, die ich hin und her huschen sah und die Feuchtigkeit, die sich im Innern meiner Maske niederschlug. Ich kann mich erinnern, wie mein Atem rasselte und wie ich mich völlig außer Stande sah, irgendeines meiner Körperteile zu bewegen. Dann war die Maske weg und ich blickte auf blutige Gummihandschuhe und ein nicht minder blutiges Skalpell. Ich spürte nichts, weder körperlich noch geistig. Wenn ich nun darüber nachdenke, hätte ich Panik verspüren müssen, Todesangst, aber ich betrachtete die Situation völlig nüchtern und schmerzfrei. Ich musterte die Leute, die sich – zum Teil über mich gebeugt, zum Teil herumlaufend, zum Teil im Hintergrund stehend, im Raum befanden. Ich wusste nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits keine Arme und Beine mehr hatte und ich fragte mich wenige Minuten später, warum mir die Lichter nicht schon längst ausgegangen waren, als ein rostiger Spreizer sich meinem Gesicht näherte, um besseren Zugang zu meinen Augen zu gewähren. All jene Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich vom Laster zu den Leichen geworfen wurde. Als der saure Regen auf mein nacktes Fleisch prasselte. Als ich nicht in der Lage war mich auf den Rücken zu drehen, selbst wenn ich nicht mehr betäubt gewesen wäre und auf dem Gesicht lag, wie der Penner in der Shuttlestation. Doch es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen uns beiden. Ich lebe! Es mag vielleicht ein wenig zu optimistisch klingen wenn ich sage, dass ich meinen Lebenswillen selbst in diesem Moment noch nicht aufgegeben habe. Selbst jetzt, nachdem ich völlig ausgeschlachtet zum Sterben auf diese Müllhalde der beendeten Existenzen geworfen wurde.

Sie mögen mir meine Augen genommen haben, doch ein jedes ihrer Gesichter hatte sich tief in mein Gedächtnis eingebrannt.

Sie nahmen mir meine Finger, doch auch in diesem Moment völliger Hoffnungslosigkeit halte ich den Wunsch nach Rache fest umklammert.

Sie nahmen mir meine Menschlichkeit.

Aber ich hole sie mir zurück.

Stück für Stück.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wow, ich bin wirklich sprachlos.
Bin sehr auf die Fortsetzung gespannt.

Wie lange hast du an dem 1. Teil gesessen?

Viel Erfolg weiterhin & liebe Grüße,

Saby